IN BEWEGUNG  HNA-Redakteur testet Bogenschießen beim SV Böddiger aus -Der Moment des Loslassens

Volle Konzentration: Schützin Nele Harbusch macht vor, wie die Haltung beim Bogenschießen auszusehen hat. Foto: William abu El-Qumssan
 

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„In Bewegung“ stellt ungewöhnliche Sportarten und Hobbys in den Mittelpunkt. Dabei geht es immer um Bewegung – auch mal um die von Planeten und mal um die im Kopf. Heute: Bogenschießen.

Böddiger – Bogenschießen sieht in Actionfilmen so leicht aus. Pfeil drauf, Sehne spannen und Feuer frei. Doch der Sport ist sehr komplex, wie HNA-Redakteur William Abu El-Qumssan bei einem Training des Schützenvereins (SV) Böddiger 1973 erfahren durfte.

Dass es so leicht werden würde, wie es Hollywood aussehen lässt, ist natürlich nicht die Erwartungshaltung, des HNA-Redakteurs, als er den Bogenplatz des SV betritt. Ein paar Schützen sind schon da, bauen ihre Bogen zusammen. Die Stimmung auf dem Gelände ist ruhig und entschleunigend. Eine sanfte Brise weht durch die umstehenden Bäume. Schnell wird deutlich: Bogenschießen hat nichts mit „wild drauf los“ zu tun. Es kommt auf Ruhe an, auf Disziplin, Routine und Technik beim Bewegungsablauf.

Die Körperhaltung beim Schießen hat etwas Erhabenes. Die Füße stehen im rechten Winkel zur Zielscheibe. Torso und Kopf drehen sich zum Ziel. Der Armschutz gibt dem Ganzen etwas leicht Bedrohliches. Dann verlangsamt sich die Atmung. Ein Moment, wie in Zeitlupe mit der gespannten Sehne in den Fingern der rechten Hand. Und dann die große Frage: Wann lässt man eigentlich los?

Nach einer gefühlten Ewigkeit surrt der Pfeil los – und schlägt gerade noch so im weißen Bereich der Zielscheibe ein. Immer hin nicht dran vorbei. „Bis ans Kinn“, sagt Trainerin Dorith Landesfeind. Damit meint sie die Hand, mit der die Sehne gespannt wird. Nächster Versuch: Die Sehne berührt leicht die Nase.

„Gerade stehen“, sagt Norbert Mayer. Der Körper und die Arme müssen die Form des Buchstaben T ergeben. Und so fliegen weitere Pfeile auf die Zielscheibe zu.

Ein Pfeil erreicht dabei Geschwindigkeiten zwischen 200 und mehr als 300 km/h.

Meine Pfeile haben zwar alle einen Rechtsdrall, pendeln sich aber so langsam im roten Bereich ein. „Das ist gut“, sagt Dorith Landesfeind. „Es spricht für einen Rhythmus im Bewegungsablauf.“

Die Abstände zwischen den Schüssen werden kürzer. Doch so langsam wird auch klar: Diese Bewegungen macht der Körper eines Nicht-Bogenschützen so gut wie nie. Besonders das Durchdrücken des linken Arms, um den etwa vier Kilo schweren Bogen zu halten, ist ungewohnt.

„Deshalb sollte auf jeden Fall mit einem leichten Bogen begonnen werden“, sagt SV-Vorsitzende Carolin Landesfeind. Die ersten Erfolge machen Lust auf mehr. Gemäß dem Gruß der Bogenschützen „Alle ins Gold“ bleibt dann auch endlich der erste Pfeile im gelbem Bereich der Scheibenauflage stecken. Mit „Alle“ sind alle Pfeile gemeint, die idealerweise in die Mitte der Scheibe treffen sollen, wofür es bei Wettkämpfen die meisten Punkte gibt. Die Tipps der Trainer geben eine Art Grundgerüst vor, die Feinheiten muss dann jeder für sich herausfinden. Dazu zählen die Bogengröße, zusätzliche Gewichte zum Austarieren und Kleinigkeiten in der Haltung und Technik. „Bei Wind trennt sich dann die Spreu vom Weizen“, sagt Carolin Landesfeind und lacht.

Beim SV kann mit verschiedenen Bogentypen geschossen werden. Neben dem gängigen Recurvebogen, mit dem auch bei Olympia geschossen wird, gibt es noch den Compound-Bogen, der sehr futuristisch anmutet. Außerdem wird mit den eher einfach gehalteneren, traditionelleren Bögen aus Holz geschossen, die sofort an Kämpfe aus dem Fantasy-Epos „Der Herr der Ringe“ erinnern.

Ein paar Schüsse damit, ließ sich der HNA-Redakteur zum Abschluss des Probetrainings nicht nehmen.

Quellenangabe: Melsunger Allgemeine vom 27.08.2024, Seite 9